EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung

Justitia vor der EU-Flagge

Der EuGH hat heute in einem Grundsatzurteil entscheiden, dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) und damit dem verdachtsunabhängigen Speichern von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten, nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Bereits in den vergangenen Monaten zeigte der EuGH weniger Verständnis für Politiker in den EU-Mitgliedsstaaten, die trotz eindeutiger Rechtslage und -sprechung weiter eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung fordern. Mit ungewöhnlich klaren Worten sorgte Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona, Gutachter des Europäischen Gerichtshofs, in einem Schlussantrag im November 2021 für Furore (Pressemitteilung). Aus seiner Sicht wäre eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung zur Verbrechensbekämpfung schlicht nicht zulässig.

Seit bald fünfzehn Jahren streiten sich Experten und Politiker nun. Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung führen organisierte Kriminalität, Kinderpornographie, illegales Filesharing, neuerdings auch Hatespeech und andere Straftaten ins Feld. Ihre Gegner werfen ihnen vor, sich über Gerichte, Grundrechte und Werte hinwegsetzen zu wollen und dabei Gesetze und Urteile immer wieder zu ignorieren.

Peer Heinlein, CEO von mailbox.org, zum heutigen Urteil des EuGH:

„Ich bin erleichtert, dass auch der EuGH die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder einmal gekippt hat und den übergriffigen Wünschen aus der Politik wieder einmal eine klare Absage erteilt. Nach über 15 Jahren Diskussionen muss jetzt endlich Schluss sein. Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung aller Bürgerinnen und Bürger würde alle unter Generalverdacht stellen, wäre ein tiefer Eingriff in unsere Grundrechte und würde rechtswidrigem Missbrauch der gesammelten Daten Tür und Tor öffnen. Wenn egal wo, alle Gerichte immer wieder zu dem gleichen Ergebnis kommen, muss dies auch die Politik endlich akzeptieren. Die VDS ist tot und nun hoffentlich endlich vom Tisch.

Der EuGH hat mit dem heutigen Urteil klargestellt, in welchen Grenzen und unter welchen sehr engen Voraussetzungen eine Erfassung der Daten zulässig ist - beispielsweise bei schweren Verbrechen und stets unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Dies darf keinesfalls mit der breitflächigem und insbesondere anlasslosen Vorratsdatenspeicherung verwechselt werden. Es zeigt ganz im Gegenteil, wie hoch die Hürden für eine Datenerfassung verfassungsrechtlich anzusetzen sind. Und das ist gut so.“

mailbox.org engagiert sich schon länger gegen die VDS

mailbox.org hatte noch gestern in einem offenen Brief des Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) und gemeinsam mit über 20 weiteren Organisationen und Experten die Ampel-Koalition dazu aufgerufen, die Versprechen des Koalitionsvertrages einzuhalten und auch langfristig den Weg einer massenüberwachungsfreien Politik einzuschlagen.

Schon seit 2015 ist eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung von mailbox.org vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, wurde jedoch bis heute nicht entschieden. Es ist zu erwarten, dass auch das Bundesverfassungsgericht nun nach dem EuGH-Urteil in gleicher Weise urteilen wird.